„Neulich nahm ich etwas in die Hand, das mir von einer Frau geschenkt worden war: Ich kannte diese Frau eigentlich nicht, aber sie war bei mir zu Gast, sie erschien an der Seite einer DJ, die ich zur Feier meines fünfzigsten Geburtstags angeheuert hatte. Die DJ erklärte, ihre Freundin sei sehr krank, sie könne nicht allein zu Hause zurückgelassen werden, ob ich sie vielleicht mit einladen könne. Na klar. Die Freundin trug ihren blanken Schädel in die Menge der Feiernden, und dazu ein weites Kleid. Sie gab mir eine Schatulle, ein Geschenk für die nächsten fünfzig Jahre, sagte sie lächelnd.
In dem Papiergehäuse lag ein Stab aus Holz, etwa zwanzig Zentimeter lang, die Farbe ein dunkles Braunrot, zu einem herrlichen Glanz poliert. Man hätte denken können, es sei ein vollkommen sinnloses Objekt, aus der Gattung der Staubfänger. Dann nahm man es in die Hand und verstand. Der Stab liegt verblüffend schwer in der Hand. Das liegt am Holz, es ist Dalbergia melanoxylon, auch Grenadill genannt, afrikanisches Schwarzholz. Es zählt zu den Eisenhölzern und hat eine Dichte von 1400 Kilogramm je Kubikmeter, und was das bedeutet, ist eigentlich klar. Dieses Ding verdichtet in sich die Schwere des Lebens und verspricht, einen im Lot zu halten, so wie es das Schwert eines Schiffs tun würde. Wegwerfen? Nie!“
Aus: Susanne Mayer, Die Dinge unseres Lebens. Und was sie über uns erzählen. Berlin, 2019
Oder hätte die Überschrift besser „Im Lot gehalten“ lauten sollen? Egal. Von manchen Dingen kann man sich unmöglich trennen. Und vieles zeigt sein Wesen erst auf den zweiten, tieferen Blick. Und sei es mitten hinein in den unergründlichen Moorsee, in dem der Himmel sein eisekaltes Bad nimmt.