Hui, ist das ein Wetterchen! Schneeregen klatscht mir ins Gesicht, während sich die Brandung gierig in den Sand frißt. Wer hier länger stehen bleibt, riskiert, den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Zornigen Meeres Gesang –
Sturm auf dem Meer und Gedanken,
Viele Gedanken, so bang –
Sturm auf dem Meer und Gedanken…
Auszug aus einem Gedicht von Afanassi Afanassjewitsch Fet (1820 – 1892)
Ob das Meer wirklich zornig ist? Wahrscheinlich ist es einfach seine Natur, dann und wann nach Herzenslust zu toben. Und wo wir schon dabei sind: Meine Gedanken sind auch weniger bang als – elementar, während ich die Sylter Südspitze umrunde und Kurs Richtung Norden nehme. Aber schön sind sie doch, die Worte dieses Russen, der Goethe und Schopenhauer in seine Sprache übersetzte.
Das Schneegrieseln ist inzwischen stetem Hagel gewichen, der aber zum Glück von hinten auf die Allwettermontur prasselt, die gerade die vierte Jahreszeit in vier Tagen erlebt. Die Wellen brechen sich an einer Formation bizarrer Betonkegel, die wie von Riesenhand auf den Strand gestreut scheinen, während sich Reetdachhäuser und sogar der Hörnumer Leuchtturm hinter den Dünen ducken.
Ein paar Stunden und etliche Kilometer später – der Himmel über dem Meer verdüstert sich gerade wieder einmal anthrazitfarben -, macht das erschöpfte Auge eine Fahne im Wind aus. Der erste Buchstabe sieht aus wie ein S. Die Sansibar! Dich schickt der Himmel!
Und während ich frischen heißen Minzetee schlürfe und den Weltuntergang direkt hinter dem Fenster genieße, mag der geschätze Christian Morgenstern von Sylt-Rantum schwärmen:
Weil ich nur dieses Donnern wieder höre
dies Mahlen einer ungeheuren Mühle,
weil ich nur diesen Flugsand wieder fühle
und dieser Möwen Ruhe wieder störe…