Ganz in Grün

Ein neonfarbener Wandertag.

Abends fangfrischer Edersee-Zander auf Blattspinat.

Und dazu Mareike Fallwickls faszinierender Erstling „Dunkelgrün fast schwarz.“

„Die Wohnzimmertür ist angelehnt, er drückt sie vorsichtig auf, steckt den Kopf hinein. Und jetzt, ohne das Licht, kann er deutlich sehen, was er vorhin schon vermutet hat. Das Grün ist dunkler geworden, viel dunkler, tief und massiv, fast schwarz. Es füllt den Raum, bis an die Decke strahlt es. Einst war Raffael knospengrün, raupengrün, wie Zuckererbsen in ihrer frisch geöffneten Schote, an manchen Tagen limonenhell. Schwarze Flecken hat das Grün bekommen, wie Schimmel. Moritz steht da und schaut und kann doch, was er sieht, nicht verstehen. Etwas ist passiert. Er weiß, dass Raffael nicht schläft. Er erkennt es an den aufleuchtenden Spritzern, die durch das Grün schießen. Keiner sagt ein Wort.“

Dem Fluss folgen

Seinen Ruf hören

Alle Sinne öffnen

Sich treiben lassen

Ausreichend lachen

Paddeln – oder auch nicht

Rechtzeitig den Kopf einziehen

Freunde treffen

Ich folgte der Ilmenau, einem Nebenfluss der Elbe, auf ihrem kurvenreichen Weg von Bienenbüttel nach Lüneburg. Beide Orte sind in einer Bahnstunde von Hamburg aus zu erreichen. Am halbschattigen Waldrand lässt es sich auch an warmen Tagen gut spazieren oder einfach nur sein. Und wer um Hohenbostel herum die meisten Skulpturen entdeckt, hat gewonnen.

Frühnebel im Spätsommer

Im Nebel ruhet noch die Welt,
Noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
Den blauen Himmel unverstellt,
Herbstkräftig die gedämpfte Welt
Im warmen Golde fließen.

Eduard Mörike: Septembermorgen

Noch ist Sommer, kalendarisch und auch meteorologisch. Aber früh am Morgen riecht und schmeckt die Luft unverkennbar nach Herbst. Nebel wabert über dem See, bis zarte Sonnenstrahlen die „Elfenschleier“ an den Geländern der Bootsstege zum Glitzern bringen. Noch ist Sommer, eine kleine Weile lang…

Perspektivwechsel

Unter allem, was Poseidon aus der Tiefe gesehen hat, muss das wohl das Merkwürdigste gewesen sein: die Fußsohlen des Sohnes jenes anderen Gottes, auf der falschen Seite des Wasserspiegels.

Cees Nooteboom: Briefe an Poseidon

Auf meiner Wanderung durch die Holsteinische Schweiz traf ich den Meeresgott mit seinem Dreizack auf einer Wiese sitzend an. Das fand ich auch ziemlich merkwürdig. Beinah so merkwürdig wie die Kühe, die unter einer Herde Schäfchenwolken friedlich im See grasten.

Jetzt einen Tag mehr

Wie müde ich bin, merkte ich erst unterwegs. Ich merkte es vor allem daran, wie wenig ich sah. Die Landschaft war durchaus hübsch, aber sie ordnete sich nicht wie sonst, sie drang nicht durch durch diesen zähen Schleier aus Pandemie, aus kleinen Blasen und immer tieferen Gräben, aus Sintflut und apokalyptischem Feuer. Schon so lang… Und nun auch noch Afghanistan… ach, es ist eine Schande! – Normalerweise reicht mir ein Tag in der Natur, um den unruhigen erschöpften Geist zu erden und wiederzubeleben, um die Verbindung zu spüren, die ja immer da ist, auch wenn man sie gerade nicht wahrnimmt. Inzwischen sind es wohl besser zwei.

Am zweiten Tag dräute der Himmel immer noch, aber er fiel mir nicht mehr auf den Kopf.

Stattdessen erzählten die Bäume von Zuneigung und das Rind auf der Weide von Ruhe und Kraft.

Manche Wege führten gut geschützt und licht geradeaus, andere scheinbar im Kreis und wieder andere ins Dickicht, ganz wie im wahren Leben.

Ich erfuhr, dass es mitten im Brachland Kultur gibt, sogar mit Beleuchtung, und schmunzelte über das Bedürfnis mancher Menschen, eine Idylle noch ein bisschen idyllischer zu machen.

Und während die Füße Kilometer um Kilometer dem Lauf der Schwentine und dem sanften Rollen der Hügel durch die Holsteinische Schweiz folgten, wurde ganz allmählich auch der Blick wieder weicher und weiter.

Die Fotos entstanden auf dem Fernwanderwegs E 1 zwischen Kiel und Plön.

Absichtslos Raum greifen

Am Mäandern mag ich alles. Das fängt mit dem Wort an, in dem das Tun verheißungsvoll mitschwingt – dieses Bedächtige, Absichtslose und zugleich Raumgreifende. Mäandern wie ein Fluss, das geht immer, auch und ganz besonders, wenn für einen strammen Marsch die Energie fehlt.

*

Das stadtmüde Auge verliert sich sogleich, in diesem Fall im Blau des Sees. Zarte Gräser malen mit ihren Schatten Linien in die spiegelnde Oberfläche. Am Grund ruhen Steine. Sie kann kein Wässerchen trüben.

Wie geheimnisvoll erscheint das Ensemble durch den löchrigen Baum zur Rechten. Das innere Kind mag sich kaum lösen von dem überdimensionalen Schlüsselloch.

Das kleine Flüsschen zur Linken ist mit seiner urwaldähnlichen Dichte kaum weniger magisch. Ich folge ihm eine lange Weile, Windung um Windung.

Bisweilen ist mir, als hätte ich es verloren, in einem Waldstück, auf einer Wiese. „Erst weiß, dann gelb, dann rot / das ist der Wiese Tod“, deklamierte die Tante einst auf gemeinsamen Spaziergängen. Erst die rotblühenden Gräser kündeten von der bevorstehenden Heumahd, erklärte sie dem staunenden Kind. Diese Wiese, denke ich flüchtig, hat noch ein gutes Stück Leben vor sich.

Ich verabschiede mich vom kleinen Flüsschen und tauche in einen jungen Birkenhain. Auch hier blüht es wie auf einer Hochzeit.

Sternmiere ergießt sich am Wegesrand…

… wetteifert mit Weißdorn, wessen Fülle wohl verschwenderischer ist.

Auf dem Waldboden vollführt das Licht der Sonne einen stillen Tanz.

Am Ufer des großen Flüsschens dauert der Tanz an. Wie nur, frage ich ich mich, wieder ein ordentliches Stück weiter, erzeugt solch sanftes Fließen solche Stromlinien?

*

Das Gebiet zwischen Segeberger See („der See“), Rönne („das kleine Flüsschen“) und Trave („das große Flüsschen“) in Schleswig-Holstein kann ich zum Mäandern sehr empfehlen.

Durch alle Zeiten

Einer japanischen Legende zufolge lebt der Kranich tausend Jahre und ist ein Symbol für Glück und Gesundheit. Wer im Land der Kirschblüten einen gefalteten Kranich verschenkt, wünscht dem Beschenkten damit tausend Jahre Glück und Gesundheit. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich fühle mich jedes Mal ein kleines bisschen glücklicher, wenn ich den heiseren Ruf der Kraniche über mir höre. Gestern begleiteten mich die Glücksvögel im Nienwohlder Moor nahe dem schleswig-holsteinischen Itzstedt auf einer Wanderung durch die Zeiten.

Bei strahlendem Sonnenschein war ich in Hamburg aufgebrochen. Das Moor und die angrenzenden Felder und Wiesen lagen noch am Mittag unter einer wattigen Nebeldecke.

Äcker mündeten ins Leere. Kahle Äste verloren sich im Unendlichen.

Ganz zaghaft begann die Sonne, sich ihren Weg durch die feuchten Schleier zu bahnen. Die eroberten das verlorene Terrain Mal um Mal zurück, doch auch die Sonne gab nicht auf.

Endlich war kein Halten mehr. Gleißendes Licht ergoss sich über die Flur. Die Rohrkolben in ihrem dicken „Pelz“ kamen ordentlich ins Schwitzen.

Auch die Galloways auf der Weide juckte erkennbar das Fell.

Ein letzter Rausch

Ich weiß nicht, wie viele bunte Blätter du in diesem Herbst schon zu sehen bekommen hast – in der Blogosphäre und im wirklich wahren Leben. Falls es schon (mehr als) genug waren, klick einfach weiter. Wenn nicht: herzlich willkommen zu einem virtuellen Spaziergang am Hohen Elbufer, wo es die Natur am Sonntag noch einmal so richtig krachen ließ!

Bewaldete, steil ansteigende Hänge mit zahlreichen Einschnitten und Tälern prägen diesen Teil des Biosphärenreservats Flusslandschaft Elbe. Entsprechend führt der Weg von Geesthacht-Tesperhude ins zehn Kilometer entfernte Lauenburg munter hügelauf und hügelab. Mal bieten sich von oben weite Blicke auf den Strom, mal begegnet man ihm auf Augenhöhe, nur durch einen Schilfgürtel getrennt.

Es erlt und pappelt, es (brenn-)nesselt und raschelt so licht- und farbtrunken, man mag kaum glauben, dass bereits der halbe November vergangen ist.

In der weihnachtlich geschmückten alten Schifferstadt Lauenburg wartet am Dampferanlegeplatz der unermüdliche bronzene Rufer. An seiner Mütze ist er unschwer als Elbschiffer zu erkennen.

Und weil der Tag so unfassbar herrlich ist, mache ich mich mit der vielleicht allerletzten Eiswaffel dieses Jahres in der Hand gleich wieder auf den Weg zurück nach Tesperhude.

Kaum ist die Sonne hinter den Wolken verschwunden, spürt man: Es ist doch kein Sommer mehr.

Der Schönheit der Landschaft tut das keinen Abbruch.

Wabi Sabi in Brandenburg

Der weite Himmel über sanft rollenden Hügeln.
Dräuend bisweilen, kurz vor dem Regen, den das trockene Land so dringend braucht.

Die backsteinernen Kirchlein in den Dörfern. Die vielen Kopfsteinpflasterstraßen.
Steinreich sind sie in der Gegend.

Der Obstbaum hinter dem Haus.
Die Birnen des Herrn von Ribbeck sind nur einen Steinwurf entfernt.

Altes landwirtschaftliches Gerät.
Zu nichts mehr zu gebrauchen als dazu uns zu erinnern.

Gärten so wild.

Häuser so verlassen.

Wälder so still.

Wie ich die herbe Schlichtheit mag, das Unvollkommene, manchmal auch halb Verfallene, in denen so viel Schönheit liegt!

Einer geht noch!

In der Lübecker Bucht sprangen die Strandampeln auf der Internetseite strandticker.de reihenweise auf Rot. In einigen Badeorten mussten schon am Freitag Zugänge an die Ostsee wegen Überfüllung gesperrt werden. Zeitweilig ging nichts mehr an diesem knallheißen Wochenende in Timmendorfer Strand, Scharbeutz & Co. Warum nur, frage ich mich nicht zum ersten Mal, wollen die Menschen eigentlich immer genau dort hin, wo alle anderen auch hin wollen bzw. schon sind?

Wo es doch so wunderbare Alternativen gibt. Die vielen Seen im Herzogtum Lauenburg im Südosten von Schleswig-Holstein zum Beispiel. In der eiszeitlich geformten Hügellandschaft konnten sich Flora und Fauna im Schatten der innerdeutschen Grenze nahezu ungestört entwickeln.

So ein bisschen unter dem Radar geblieben ist die Gegend bis heute. Auch ich hatte fast vergessen, wie schön es dort ist – bis mich Stefanie mit einem Beitrag auf ihrem Blog „In der Nähe bleiben“ daran erinnerte. Danke Stefanie! In aller Ruhe lässt es sich in der Region wandern, baden oder einfach nur sein – selbst an einem Hochsommerwochenende im August.

Ich habe vom Waldparkplatz an der Nordseite des Schmalsees, also praktisch von der Eulenspiegel-Stadt Mölln aus eine große Runde um Schmalsee, Lütauer See, Drüsensee und das Hellbachtal mit Krebssee, Lottsee und Schwarzsee gedreht. Einer geht noch, dachte ich ein ums andere Mal, zumal die Bäume reichlich Schatten spendeten und an kühlem Nass für die qualmenden Füße ja auch kein Mangel bestand.

Den Badeanzug hatte ich blöderweise im Auto gelassen, so dass ich leider keinen Badevergleich zwischen den verschiedenen Seen bieten kann. Der Schmalsee am Spätnachmittag, so viel immerhin kann ich sagen, ist ein Gedicht, das Wasser so weich wie das Licht, das allmählich die Strenge des Tages verliert.