Die Erongo-Berge im Westen Namibias sind eine dieser Landschaften, in denen es aussieht, als seien Riesen mitten im Murmelspiel unterbrochen worden.
Man kann das auch mit ihrer vulkanischen Entstehung erklären, ich weiß. Das Gebirge ist der Überrest eines riesigen Vulkans, der vor Jahrmillionen unter der Erdoberfläche ausbrach. Auf Satellitenaufnahmen lässt sich der gewaltige Ring noch heute erahnen.
Aber so genau will ich es an diesem Tag gar nicht wissen. Ich will einfach nur gehen. Gehen und schauen.
In diesem eher sinnlichen Modus bin ich auch noch, als wir nach unserer Morgenwanderung auf zwei Buschmänner treffen, die uns zeigen wollen, wie ihre Vorfahren einst als Jäger und Sammler in dieser karg-schönen Gebirgs- und Steppenlandschaft lebten und überlebten.
Mit nichts als einem Lendenschurz bekleidet, mit dem kleinen Jagdbogen in der Hand und dem Köcher voller Pfeile über der Schulter spazieren sie mit uns durch den Busch. Sehr schmal, sehr geschmeidig.
Pirschen sich an das imaginäre Wild an, legen den Pfeil auf die Sehne des Bogens, spannen – und Schuss. Nun bräuchte man nur noch der Spur des getroffenen Tiers zu folgen, bis das Pfeilgift seine Wirkung getan hätte…
Buschmänner (San) sind die Ureinwohner im südlichen Afrika. Mit dem Vordringen der Bantu aus dem Norden und der Landung der ersten Europäer begann ihre Vertreibung aus den angestammten Lebensräumen bis in die Wüstenregionen der Kalahari an der Grenze zu und in Botswana. In Namibia machen sie als kleinste ethnische Gruppe gerade noch zwei Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Die meisten können heute nicht mehr als Jäger und Sammler leben. Die Arbeitslosigkeit unter den San ist ziemlich hoch. Ein Teil arbeitet auf Farmen oder als touristische Fährtenleser für Lodges. Einige wenige versuchen, die alten Traditionen aufrecht zu erhalten.
Unsere Begleiter sind Teil des Projekts „Lebendes Museum“ der Ju’Hoansi-San auf der Farm Omandumba. Sie leben dort eine Weile mit ihrer Familie, geben Besuchern Einblicke in die uralte Kultur und Lebensweise der San, dann kehren sie in ihr altes Leben zurück, andere Buschleute kommen und leben eine Weile im Museum. Verschiedene Programme werden angeboten, unter anderem so eine Buschwanderung, wie wir sie gemacht haben. Ist das jetzt Traditionspflege oder Folklore für Touristen?
Ein bisschen komisch – präziser: voyeuristisch – fühlte sich die Begegnung schon an. Aber letzten Endes hat mich das Projekt überzeugt. Es bietet den beteiligten San ja nicht nur eine Einnahmequelle sondern außerdem die Möglichkeit, in traditionellen Familienstrukturen zusammenzuleben und ihr Wissen und Können außer an uns Besucher auch an ihre Kinder weiterzugeben. Vier von ihnen waren bei unserem Bushwalk dabei und haben nicht nur beim Feuermachen sehr genau zugehört und zugesehen, was die Älteren sagten und taten.
Apropos sagten: Besonders viele Informationen drangen an diesem Tag nicht bis zu meinem Gehirn vor. Zu sehr war ich damit beschäftigt zu schauen und mehr noch – den vielen Klick- und Schnalzlauten zu lauschen, die die Rede des älteren der beiden Männer durchströmten wie ein Fluss ganz eigener Art. Dass man eine Khoisan-Sprache – außer den San gehören auch die in früheren Beiträgen bereits erwähnten Damara und Nama zu dieser Sprachfamilie – angeblich entweder im Kindesalter oder aber nie mehr lernt, will ich gern glauben. Hörprobe gefällig?