Grönländischer Salat

Grönland ist an Naturwundern bestimmt nicht arm. Nichts freilich hat mich so überrascht, wie inmitten der felsigen Fjordlandschaften mit Blick auf Eis und Schnee die herrlichsten Zutaten für einen Salat zu finden. Beeren, ja, damit hatte ich irgendwie gerechnet. Leider waren die Krähenbeeren, die wir in höheren Lagen im Moos erspähten, nur schrumpelige Überlebende vom Vorjahr ohne nennenswerten Geschmack und auch die Blaubeeren noch nicht reif. Während der Sommer in Mitteleuropa in diesem Jahr besonders früh einsetzte, ließ er im hohen Norden besonders lange auf sich warten.

Wie gesagt: Mit Beeren rechnete ich. Aber Salat? Die meisten von uns hatten das Gewächs, von dem hier die Rede ist, zwar durchaus bemerkt, es aber nicht als essbar angesehen. Mit seinen dicken rosettenartig angeordneten Blättern ist der Rosenwurz unschwer als Verwandter des Hauswurz zu erkennen, den man bei uns gern in Steingärten antrifft. Und das sollten wir essen? Ja, sagte Marina, unser Guide: sehr lecker! Vor allem die jungen Stängel ohne Blüte. Mamakaiu! sagen die Grönländer. Gut! Und ich sage: Sie haben alle Recht. Leicht bitter ist der Geschmack, sehr knackig die Konsistenz. Manchmal brachten wir von unseren Wanderungen auch noch Sauerampfer und Löwenzahn mit zurück ins Küchenzelt. Mmmmh!

Die reichsten Vorkommen entdeckten wir in den Ruinen eines ehemaligen Inuit-Winterlagers, ungefähr dort, wo der Johan Petersens Fjord in den breiten Sermilikfjord mündet. Bis in die 1950er Jahre sollen dort Menschen überwintert haben. Viel erinnert nicht daran: Eine Mulde auf einer Anhöhe, die einmal ein geschützter Ausguck gewesen sein mag. Vielleicht auch eine Feuerstelle, um die sich alle sammelten. Oder beides. Ein kleiner Raum aus übereinander geschichteten Steinen. Ob darin einst Walfleisch fermentiert wurde? Drei Gräber zeugen von vergangenem Leben. Die weißen Holzkreuze sind gut erhalten. Womöglich hat man dort erst in jüngerer Zeit Menschen beerdigt, die früher mit dem Ort verbunden waren. Oder wurden alte verfallene Kreuze durch neue ersetzt? „AGE K“ steht auf dem einen. Mit einem Punkt auf dem „A“. Was mag das bedeuten? Ach, könnten die Steine sprechen!

Unseren Salat reicherten wir an diesem Abend mit Thunfisch aus der Dose an.

Ein Pott voll Farbe

p1170002„Bade deine Füße in Frohsinn“, lese ich auf einem bunten Bild und nicke, sozusagen instant-überzeugt. Wer jemals bis ins Mark durchgefroren von einem ausgiebigen Winterspaziergang zurückgekehrt ist, weiß, dass er seine unteren Extremitäten wiederbeleben muss, der Rest kommt dann von ganz allein. Langsam kriecht die Wärme die Schenkel hoch, füllt erst den Po und dann den Rumpf, strömt weiter in die Arme und Hände und ganz zuletzt auch in den Kopf. So ähnlich stelle ich es mir vor, wenn man seine Füße in Frohsinn badet.

p1160964Gefunden habe ich den Satz im Essener Unperfekthaus. Über das vor zwölf Jahren gegründete UpH weiß ich nicht viel mehr als das, was man zum Beispiel bei Wikipedia nachlesen kann. Das Haus in der City bietet Gastronomie, Tagungsräume und ein „WG-Hotel“. Im Mittelpunkt aber steht das „Künstlerdorf“: Auf 4000 Quadratmetern, verteilt auf sieben Etagen über und unter der Erde, finden allerlei Kreative Raum zur Verwirklichung ihrer Ideen. Auf Vorgaben wird verzichtet; Bedingung ist lediglich, dass die Aktivitäten legal, interessant für mögliche Zuschauer und offen für Publikum sind. Denn die Besucher sind wichtiger Bestandteil des Konzepts, Begegnungen zu schaffen: Inspiration für die Gäste, Bühne und potentielle Kunden für die Kreativen.

p1170006Wie gut das Konzept funktioniert, kann ich nach einem Besuch nicht beurteilen, zumal zwar viel Kunst zu sehen war aber nicht so viele Menschen, die sie schaffen. Eine gute Portion Frohsinn habe ich beim Herumstromern auf jeden Fall getankt.

p1160995Weil es überall so schön bunt ist.

p1170008Und unaufgeräumt.

p1160989Und weil es auch da, wo gerade niemand war, so aussah, als würde gleich etwas passieren.

p1160984Wegen Mr. Ruhrpott im Treppenhaus natürlich.

p1160988Und ein bisschen auch wegen der klassenkämpferischen Preisgestaltung. Dat dat dat noch gibt!

Have a break

P1010617Heute mal keine Besichtigung. Und auch keine Wanderung. Einfach irgendwo sitzen und Tee trinken. Schwarz, stark und süß, mit einem Stängel Minze darin oder vielleicht ein paar Blättern Salbei. Oder doch lieber Kaffee? Süß ist der auch, schon wegen der vielen Gewürze, Kardamom vor allem, und immer etwas schlammig. Irgendwann meldet sich der Magen. Fladenbrot wäre jetzt gut. Am besten frisch im Ofen oder auf dem offenen Feuer gebacken. Auf zwei Dinge muss man dabei achten: dass der Teig keine Löcher bekommt und dass er nicht verbrennt. Mmmmh! Wie das duftet!

P1000849Und dazu Mezze, diese wunderbar reiche Auswahl an Vorspeisen, die ich schon aus syrischen und libanesischen Restaurants kannte und die mich auf meiner Reise durch Jordanien jeden Tag aufs Neue begeisterte. Salate, Gemüsepürees und Fleischstücke werden in der Mitte des Tisches in Schälchen serviert, aus denen sich jeder bedient. Wer mag, benutzt das Fladenbrot wie einen Löffel oder rollt die Speisen darin zu einer Teigtasche (vor dem Rollen unbedingt eines der Enden einschlagen, sonst kleckert beim Essen alles raus!).

P1000852Zu meinen Top Ten gehören Falafel: frittierte Kichererbsen-Bällchen, mit Koriander, Kumin und Zimt gewürzt. Besonders lecker mit Tahina, einer Paste aus fein gemahlenen Sesamkörnern und Hülsenfrüchten mit Knoblauch, Zitrone, Salz und Pfeffer. Dazu eine Portion Tabouleh: Salat aus Tomaten, Zwiebeln, klein gehackter Petersilie und frischer Minze. Humus natürlich: Kichererbsenpüree mit Olivenöl, Sesampaste, Knoblauch und Zitronensaft. Beim Auberginenmus heißt es aufpassen, davon gibt es zwei Varianten: das etwas gröbere Baba Ghanoush, das aus gegrillten Auberginen zubereitet wird und ein bisschen so schmeckt wie Lagerfeuer riecht, und Moutabbal, eine feine Auberginen-Joghurt-Creme mit hohem Suchtfaktor. Was noch? Warmes Tomatenmus mit gerösteten Pinienkernen und Knoblauch. Passt wunderbar zu den mit Käse (oder Fleisch) gefüllten Blätterteigtäschchen, deren Namen ich ebenfalls vergessen habe. Dazu vielleicht noch eine Spur Zatar – eine Gewürzmischung aus wildem Thymian, gerösteten Sesamsamen, Sumach und Salz –, ein paar eingelegte Oliven, Rote Beete, Gurken, Blumenkohl, Auberginen, Rettich und Chilis und etwas frischer Salat mit geriebenem Schafskäse, und der Schlemmer-Himmel ist ganz nah.

P1010131Auf den Hauptgang verzichte ich wieder einmal – mangels Fassungsvermögen und weil er aus Vegetarier-Sicht ohnehin nicht mit den Vorspeisen mithalten kann. Mansaf zum Beispiel, das traditionelle jordanische Hauptgericht aus der Beduinenküche, besteht hauptsächlich aus Lammfleisch-Stücken auf einem Berg Reis, die auf einem großen Tablett serviert werden, nach dem das Gericht auch benannt ist. Dazu gibt es Joghurtsauce und geröstete Pinienkerne. Eine Alternative auch für nicht-carnivore Zeitgenossen ist Magloube: In einem Topf wird Fleisch, Fisch oder auch nur Gemüse mit Reis in Schichten gekocht und dann kopfüber – das bedeutet der Name auf Arabisch – auf einen großen Teller gestürzt.

P1010120Ich denke lieber an lebende Lämmer, trinke noch ein Glas frisch gepressten Zitronensaft mit fein gehackter Minze und frage mich, ob vielleicht doch noch ein klein wenig Platz ist für eine der kalorienreichen Süßspeisen auf der Basis von Zuckersirup und Honig, die mit Nüssen, Pinienkernen, Mandeln, Pistazien, Sesam, Schokolade und anderen Köstlichkeiten angereichert werden. Spätestens danach ist es auf jeden Fall wieder Zeit für einen starken Kaffee oder Tee. Und dazu vielleicht ein Wasserpfeifchen…

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