Jagdgötter unter sich

P1100866Neulich wieder einmal auf dem Weg zur Trinkhalle im Hamburger Stadtpark. Es gibt dort den womöglich besten Kaffee der Stadt. Allerdings ginge ich wohl auch, wenn es nur der zweitbeste wäre. Das liegt auch am Namen: Trinkhalle. Das Wort gefällt mir seit der ersten Fühlungnahme. Schnörkellos und direkt und ein klein wenig verrucht. Als ich ihm zum ersten Mal begegnete, entstanden vor meinen norddeutsch-ländlich geprägten geistigen Augen die tollsten Bilder. Zu dem, was ich realiter erblickte, wollten sie nur begrenzt passen. T-R-I-N-K-H-A-L-L-E: Die riesigen Leuchtbuchstaben an dem Eckgebäude gegenüber von meiner ersten Hamburger Wohnung füllten die komplette Breite der „Halle“ aus, die auch nur unwesentlich tiefer war.

Bis dahin waren diese Miniatur-Verkaufsstellen für Zeitungen, Tabak, allerlei alkoholische und nichtalkoholische Getränke, belegte Brötchen, Süßigkeiten und Schreibwaren für mich Kioske gewesen. Ich lernte, dass es außerdem Buden, Büdchen und Wasserhäuschen gibt, vor denen sich die Stammkunden gern auf das ein oder andere Feierabendbier einfinden. Schon lustig, denn ursprünglich waren all diese Trinkhallen (und auch die Kaffeeklappen, von denen ich hier schon erzählt habe) ja gerade erfunden worden, damit Bergleute, Industrie- und Hafenarbeiter Mineralwasser (und Kaffee) statt Bier und Schnaps tranken.

Bis ich das erste Mal so eine Trinkhalle wie die im Stadtpark kennenlernte, sollten weitere Jahre ins Land gehen. Sie ist nämlich weder Kiosk noch Büdchen sondern ein ehemaliger Gesundbrunnen, wie man sie in Heilbädern findet. Denen galt, ich gebe es unumwunden zu, in jüngeren Jahren nicht gerade mein Hauptaugenmerk. Im Grunde kann ich immer noch nicht viel Erhellendes zum Thema beisteuern. Außer ein bisschen von der backsteinernen Trinkhalle im Stadtpark schwärmen. Die ist nämlich richtig schön.

P1100863Errichtet wurde die Halle mit ihrem kreisrunden Mittelbau und den zwei kurzen Flügeln 1915/16 nach Plänen von Oberbaudirektor Fritz Schumacher, dessen Backsteinarchitektur das Stadtbild bis heute prägt. Als Ausschankhalle für Heilwasser sollte sie der Gesundheit der Arbeiterfamilien in den nahe gelegenen Stadtteilen Barmbek und Winterhude dienen, die sich den Besuch eines Kurbads nicht leisten konnten. Besucher der Trinkhalle hatten die Auswahl aus 50 Heilwässern und dazu ausgewiesenen Spazierwegen im Stadtpark.

P1070506Heute kann man in dem originalgetreu restaurierten Bau unter anderem Hamburgs ziemlich besten Kaffee genießen, während der Blick weit über eine langgestreckte Rasenfläche schweift, bis er ganz am Ende auf die Skulptur „Diana mit Hunden“ trifft …

P1100803 … oder vielleicht auch schon vorher auf irgendeinen anderen Jagdgott.

P1100805

26 Kommentare zu “Jagdgötter unter sich

  1. Euren Stadtpark, liebe Maren, finde ich mit oder ohne Hunde oder mit Fahrrad wunderschön! Ich kann mich jedoch vor allem an das Planetarium und den See erinnern. Die Trinkhalle und der „italienische“ Kaffee muss ich mir merken. L.G. Martina

  2. Liebe Maren, ich würde in jedem Falle den Kaffee dem Heilwasser vorziehen 🙂 Mein letztes, das ich probiert habe (in einer winzigen Trinkhalle in Bad Sulza) musste ich wieder ausspucken, so salzig war es und schien mir eher einem Abführmittel gleich. Doch nach dem schönen Park (vielleicht tatsächlich in Begleitung eines lieben Hundes und bei so schönem Herbstwetter wie auf deinen Bildern) sehnsüchtet es ich schon ein wenig.
    Ganz liebe Grüße sendet dir
    Marlis

    • Brrr, das klingt wirklich eklig, liebe Marlis. Wahrscheinlich hat das Wasser irgendwelche unterirdischen Salzablagerungen durchquert. Da sehnsüchtet (welch Zauberwort!) es mich auch deutlich mehr nach Kaffee und Kuchen. Immer gesund ist ja auch nix. 😉

    • Die Zahl 50 habe ich irgendwo gelesen und fand sie durchaus plausibel, wenn ich mir die Regalmeter Heilwässer im gut sortierten Getränkefachhandel vor Augen führe. Ich bin keine Expertin, aber grundsätzlich ist es wohl so, dass sich Heilwässer, die ja aus unterirdischen Wasservorkommen stammen, je nach den Gesteinsschichten, die das Wasser durchlaufen hat, in ihren Zusammensetzungen (Mineralstoffe und Spurenelemente) und Wirkweisen unterscheiden.

      • Schon, nur kann ich mir irgendwie nicht vorstellen, dass in einem begrenzten Gebiet wie in einem Park 50 verschiedene Quellen entspringen.
        Aber das ist ja nicht so wichtig, wenn es eine gute Quelle ist, genügt das ja auch 🙂

      • Oh, sorry, das ist ein Missverständnis. Die Heilwässer waren aus anderen Regionen importiert, in Hamburg selbst gibt es, soweit ich weiß, keine Heilquellen.

      • Ach so ! Ja das war dann allerdings ein Mißverständnis :mrgreen: :mrgreen: dann wundert mich die Zahl 50 auch nicht. Dann können es durchaus auch noch mehr sein …

  3. 😉 Lustig, da war ich noch nie drin. Muss ich wohl mal nachholen.
    Ich hab mal in Hannover gewohnt, da hießen die Dinger, die ich unter ‚Kiosk‘ kannte, auch Trinkhalle, stand bei allen oben drüber, fand ich super. Auch wenn ich mich immer gefragt habe, wo denn nun eigentlich die Halle ist, denn die fehlte meistens. 😉 Ich wusste gar nicht, dass diese Begrifflichkeit sich offenbar auch in den noch nördlicheren Norden finden lässt. Danke für den Tipp!! LG

    • Nach der Halle der Kiosk-Trinkhallen habe ich seit meiner Erstbegegnung in Hamburg-Eimsbüttel auch immer wieder gesucht. Aber so ein klein bisschen Angabe ist ja auch okay. Die hat die Gesundbrunnen-Trinkhalle im Stadtpark natürlich nicht nötig. Ich kann einen Besuch wirklich empfehlen.

  4. Liebe Maren,
    wie schön, am Arbeitsvormittag erst einmal einem Ausflug in einen Hamburger Park und zu der dort angesiedelten Trinkhalle zu machen. Trinkhallen kenne ich aus Bochum, kleine LÄden mit fast Vollsortiment, die den Vorteil der Öffnungszeiten hatten, damals, als die Läden noch mitten am Tag, also pünkltich um 18.30 Uhr schlossen. Wer um 19 Uhr ganz plötzlich und völlig unerwartet Lust auf ein Bier hatte, wem dann erst auffiel, dass er noch ein Ei brauchte oder jetzt doch noch Zeit für eine Zeitung hatte, der ging eben zur Trinkhalle. Die, wie Jetamele schon schreibt, alles war, nur keine Halle. – Da hat aber doch Deine Trinkhalle im Park das richtige Aussehen und bietet auch die richtige Getränkeauswahl. Ich würde ja auch gerne mit solch einem tollen Kaffee jetzt dort sitzen, in die Sonne blinzeln, mir die vierbeinigen Jagdgötter anschauen – und die fünfzig Heilwässer nicht eines Blickes würdigen.
    Viele Grüße, Claudia

  5. Hallo Maren, ich freue mich total über den Bericht. Ich habe die Trinkhalle letztens das erste Mal im Vorbeifahren gesehen. War mir gar kein Begriff und hat mich neugierig gemacht. Scheint mir ja wirklich einen Ausflug wert! Danke für den Tipp, Stefanie

  6. Trinkhalle – was für ein tolles Wort, so schlicht und doch so fantasieanregend… Ich glaube, ich würde mich an diesem Ort auch gerne mal bei einem gepflegten Kaffee ruchlos fühlen und Jagdgötter beobachten. Ganz liebe Grüße aus dem herbstgoldenen Greenwich, Peggy

  7. Ich dachte, du bist Teetrinkerin? 😉 Bei einer Trinkhalle hätte ich mir allerdings auch ganz etwas anderes ausgemalt. Und ob ich Diana und ihrer Meute leibhaftig begegnen wollte? Ich bin mir nicht sicher, es könnte mir dabei ganz gehörig ans Leder gehen.

    Herzliche Grüße weit weg von der Waterkant!

    • Na, du bist ja ein aufmerksamer Leser, Holger! Tatsächlich trinke ich meist Tee, aber wenn Kaffee, dann gern in bester Qualität. – Zu Dianas Meute kann ich nichts sagen. Dunkel erinnere ich die Geschichte von einem Jäger, der Diana beim Baden zuschaute und von seinen eigenen Hunden zerrissen wurde. Vorsicht ist also sicher kein Nachteil. 😉
      Liebe Grüße von der heute ziemlich grauen Wasserkante!

  8. Pingback: Pilgern in Hamburg (hier: für Anfänger) -

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