Mit Freundin A. auf Wandertour im Taunus. Die kleinen Gute-Laune-Portionen hatten schon andere mit auf den Weg genommen, aber die „Quelle“ sprudelte unvermindert frisch den Laternenpfahl herunter, als wir in der prallen Mittagssonne durch Kronbergs Straßen stapften. Berg- und baumschattenwärts natürlich, der kühleren Lüfte wegen.
Gerade erst hatte ich einen Merkzettel in die Hosentasche geschoben: „Streitkirche“. Wer wollte bestreiten, dass es bei Kirchens nicht immer friedlich zugeht, aber seit wann schreiben sie das auf die Mauern? Inzwischen habe ich mich bei Wikipedia schlauer gemacht. Und wie sie gestritten haben, die Lutheraner und die Katholiken! Reformation, Gegenreformation, Gegen-Gegenreformation… Im Zuge des dritten Versuchs der Re-Katholisierung des Territoriums ordnete der Mainzer Kurfürst 1737 den Bau einer katholischen Kirche in der Stadt Kronberg an – unmittelbar neben der vorhandenen evangelischen. Dass das Ärger geben würde, war ja klar. Die Protestanten wandten sich hilfesuchend an ihren Schutzherrn, den Landgrafen von Hessen-Darmstadt, dieser an das „Corpus Evangelicorum“ beim Reichstag in Regensburg. Ein Prozess vor dem Reichskammergericht endete 1765 mit der Verfügung, den Giebelturm der schon seit 1739 so gut wie fertig gestellten „Streitkirche“ abzubrechen und das Gebäude in einen Zivilbau umzuwandeln. Und dabei sollte es bleiben. Die „Streitkirche“ wurde immer mal wieder umgebaut. Sie diente als Lager, war Gasthaus und beherbergt heute die Hof-Apotheke und ein paar andere Geschäfte. Die Kronberger Katholiken nutzten weiterhin die Burgkapelle. Eine eigene Pfarrkirche konnten sie erst 1877 einweihen.
Die schönen Zeilen über die Relativität materiellen Besitzes entdeckten wir auf dem Rettershof nördlich von Fischbach, das wiederum zu Kelkheim gehört. (Merkzettel in die Hosentasche!) Noch so ein Ort mit wechselvoller Geschichte: Der Rettershof ist ein ehemaliges Prämonstratenserkloster, der Ortsname Retters bedeutet „Rat Gottes“. Vom 12. Jahrhundert bis 1559 waren dort Ordensfrauen ansässig, später nutzten verschiedene Eigentümer das Anwesen als Hofgut. Heute ist der Rettershof ein Reiterhof und das Schlösschen im englischen Tudorstil gleich oberhalb ein beliebtes Ausflugsziel.
Wieder zu Hause fand ich noch den Merkzettel „Fischbach“. Der sollte mich daran erinnern, dass in dem Straßendorf offenbar jeder Einwohner eigene Bauvorlieben verwirklichen durfte. Beim Blick über die Zäune stießen wir sogar auf ein Ensemble, das aussah, als hätte jemand versucht, Friedensreich Hundertwasser in Waschbeton nachzuempfinden. Leider ergab die Internet-Recherche hierzu nichts Erhellendes.