
Das Wasser rauscht‘, das Wasser schwoll,
ein Fischer saß daran,
sah nach dem Angel ruhevoll,
kühl bis ans Herz hinan.
Und wie er sitzt und wie er lauscht,
teilt sich die Flut empor;
aus dem bewegten Wasser rauscht
ein feuchtes Weib hervor.
Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm:
Was lockst du meine Brut
mit Menschenwitz und Menschenlist
hinauf in Todesglut?
Ach wüßtest du, wie’s Fischlein ist
so wohlig auf dem Grund,
du stiegst herunter, wie du bist,
und würdest erst gesund.

Labt sich die liebe Sonne nicht,
der Mond sich nicht im Meer?
Kehrt wellenatmend ihr Gesicht
nicht doppelt schöner her?
Lockt dich der tiefe Himmel nicht,
das feuchtverklärte Blau?
Lockt dich dein eigen Angesicht
nicht her in ew’gen Tau?
Das Wasser rauscht‘, das Wasser schwoll,
netzt‘ ihm den nackten Fuß;
sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll,
wie bei der Liebsten Gruß.
Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;
da war’s um ihn geschehn:
Halb zog sie ihn, halb sank er hin
und ward nicht mehr gesehn.
Johann Wolfgang von Goethe: Der Fischer

Es muss an dem ständigen Auf und Ab auf den schmalen Waldpfaden durch das idyllische Billetal gelegen haben, dass mir das in Übermannshöhe an einem Baumstamm befestigte kleine Schild überhaupt auffiel: „Angeln verboten“. Klar, kein Problem, auch wenn sich mir nicht ganz erschloss, an wen sich das luftige Verbot wohl richtete. Die Fische im schleswig-holsteinischen Sachsenwald wird es allemal freuen – und bestimmt auch das Fischweib, dessen Reizen und Werben der fischende Goethe dermaleinst erlag. „Halb zog sie ihn, halb sank er hin / und ward nicht mehr gesehn.“ Was für eine reiche Quelle für unseren Zitatenschatz sind doch bis heute die Balladen der Herren Goethe und Schiller!
Oh ja, deinen letzten Satz unterstreiche ich mit Leuchtfarben!
Und der stille Bach, den man so dezent nicht befischen soll, ist ein wunderbar romantischer Ort.
Danke für deine Anregungen und lieben Gruss in den Alltag nach Pfingsten,
Brigitte
Hahaha, liebe Brigitte, der „stille Bach“ ist immerhin Hamburgs drittgrößter Fluss. 😉 Aber Recht hast du: Hier am Oberlauf im Kreis Herzogtum Lauenburg hat die Bille tatsächlich bisweilen mehr von einem Bach. Und auch auf den ersten Kilometern auf Hamburger Stadtgebiet – zwischen Bergedorf und Billstedt – ist noch viel Idylle. Dann wird, was als romantisches Flüsschen begann, zum teilweise kanalisierten Industriefluss, der schließlich bei den Elbbrücken in die Norderelbe mündet.
Einen herzlichen Gruß zurück!
Welch perfekte Verbindung von Bild und Text, liebe Maren.
Ja, der gute Goethe verstand die Anima, weswegen Jung auch phantasierte, dass er mit Goethe verwandt sei.
Danke fürs Zeigen dieses romantisch lauschigen Plätzchens
The Fab Four of Cley
🙂 🙂 🙂 🙂
„Wahlverwandtschaften“, wohin man schaut, lieber Klausbernd… 😉
Hab vielen Dank für deine anerkennenden Worte. Freut mich sehr, dass dir die Zusammenstellung gefällt!
Liebe Grüße vom kleinen Fluss ins kleine Dorf!
Als Jugendlicher hat mich dieser alchimistische Roman sehr fasziniert. Jetzt hier in England ist er wieder aktuell mit seiner Kritik an den englischen Landschaftsgärten.
Liebe Grüße vom großen Meer zum kleinen Fluss
Klausbernd 🙂
Wie die Lektüre jetzt, nach so vielen Jahren, wohl wäre? Ich gestehe, ich hatte im Grunde gar nicht Goethes Roman vor Augen, sondern konnte angesichts deines Hinweises auf C.G. Jung schlicht dem Wortspiel nicht widerstehen. 😉