Auszeit vom Krieg

Wieviel Segensreiches möglich wird, wenn sich gute Ideen und Tatkraft paaren und Menschen ihre Netzwerke zu einem noch größeren Netz miteinander verknüpfen, war jetzt in der Berufsschule in der Hamburger Burgstraße eindrucksvoll zu erleben. Ein halbes Dutzend Profifriseurinnen und 30 Auszubildende und SchülerInnen der Friseurklassen richteten im Lernsalon „burgschön“ der Schule gemeinsam einen Beauty Day für Geflüchtete aus der Ukraine aus. Sage und schreibe 90 Menschen, vor allem Frauen und Kinder, kamen im Laufe eines Tages in den Genuss einer wohltuenden Kopfmassage und eines kostenlosen neuen Haarschnitts. Ein paar Klassenräume weiter bogen sich die Tische unter Bergen von Kuchen, die fleißige LehrerInnen-Hände gebacken hatten, damit der Beauty Day zugleich ein Tag der Begegnung und des Austauschs werden konnte.  

Nur wenige Wochen ist es her, dass Friseurmeisterin Tina Doelling (hier mit einer frisch frisierten Kundin), die sich neben ihrer Arbeit in der Patenschaftsinitiative „Wir im Quartier“ in Hamburg-Winterhude für Geflüchtete engagiert, dachte: „Wie schön wäre es doch, wenn man den Menschen aus der Ukraine eine kleine Auszeit von Krieg und Flucht, von Angst und Schrecken schenken könnte!“ Und da sie eine Frau der Tat ist, fackelte sie nicht lange, sondern suchte Mitstreiter. Die ersten fand sie unter befreundeten Friseurmeisterinnen. Dann holte sie Thomas Lücking ins Boot, der den renommierten Friseur-Zweig der Berufsschule Burgstraße leitet.

Lücking war nicht nur Feuer und Flamme für die Idee, er hat auch viel Erfahrung im Ausrichten von besonderen Events rund ums Waschen, Schneiden und Föhnen. SchülerInnen der Salonklasse, die den Lernsalon „burgschön“ betreibt, beteiligen sich zum Beispiel regelmäßig am „Hamburger Wohlfühlmorgen“, den der Malteser Hilfsdienst zweimal im Jahr veranstaltet und an dem Hunderte von Ehrenamtlichen Obdachlosen Wünsche vom Haarschnitt über Maniküre und Pediküre bis hin zu ärztlicher Beratung und Behandlung erfüllen. Auch an Modenschauen oder Theaterproduktionen beteiligen sich die Nachwuchs-FriseurInnen gern. Den Beauty Day sponserte die Berufsschule gleich ganz – vom Hausmeister über sämtliche Materialien bis hin zu Reinigung und Catering.

Die Termine zum Haareschneiden waren – kaum bekannt gemacht – auch schon ausgebucht, erzählt Friseurmeisterin Liesa Wernicke, über die die Vergabe lief. Zum Termin selbst brachten einige Kundinnen Fotos auf ihren Handys mit, um zu zeigen: So möchte ich gerne aussehen! Geht das? Es ging eigentlich alles, schließlich kann man sich auch mit Händen und Füßen verständigen. Außerdem leisteten Marina, Olga und Inha von der Patenschaftsinitiative „Wir im Quartier“ unermüdlich Übersetzungshilfe vom und ins Ukrainische und Russische. Ein glückliches Lächeln, ein nach oben gestreckter Daumen, ein Dankeschön – am Ende brauchte es gar nicht viele Worte um zu erkennen, dass die Initiative „Auszeit“ ein voller Erfolg war. Auch der Friseurnachwuchs freute sich bei aller Erschöpfung am Ende eines langen Tages sichtlich über den eigenen sinnstiftenden Beitrag. Einer von ihnen ist Momo (auf dem Foto ganz oben im Einsatz). Der junge Syrer ist vor ein paar Jahren selbst aus seiner Heimatstadt Aleppo geflohen und weiß genau, wie sich die Menschen aus der Ukraine fühlen, die jetzt in Hamburg Schutz suchen.

Ozeane ohne Licht

Aus tausend Quellen quillt die Nacht
Und übernimmt den Himmel unsrer Träume.
Da ist ein Licht noch – dort noch Bäume,
Dann nichts mehr. Sintflut. Nur noch Nacht.

Aus Ozeanen ohne Licht erheben sich Gedanken,
Wie Meerestiere schwimmen unsre Träume
Mit schweren Flossen durch die Finsternis der Räume
Und kreisen um die Hoffnungsschiffe, die versanken.

Guido Zernatto (1903 – 1943), österreichischer Schriftsteller und Politiker

Das Foto zeigt die Installation „Unmündig“ des 1986 in Georgien geborenen Künstlers Vasil Bereda, die auf der NordArt 2021 im schleswig-holsteinischen Büdelsdorf zu sehen war. „… die Füße einer wehrlosen jungen Frau, kahlrasiert wie eine Gefangene, in ein großes Tuch gehüllt, das Schutz und Zwangsjacke zugleich ist, (stecken) wie zur Reinigung in einer Schüssel. Zwölf weitere Schüsseln stehen um sie herum. Die Assoziation mit der Fußwaschung der Jünger Jesu erscheint so gut wie unausweichlich…“, ist auf der Website der internationalen Kunstausstellung über die Installation zu lesen.