Werner Holzwarth / Wolf Erlbruch: Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat. Wuppertal 2001
Wolf Erlbruch: Frau Meier, die Amsel. Wuppertal 2000
Gioconda Belli: Die Werkstatt der Schmetterlinge. Illustriert von Wolf Erlbruch. Wuppertal 2000
Jürg Schubiger / Wolf Erlbruch: Zwei, die sich lieben. Wuppertal 2012
Oren Lavie: Der Bär, der nicht da war. Illustrationen von Wolf Erlbruch. München 2014
Es war Liebe auf den ersten Schiss. Oh, Gott, wie klingt das denn! Ich fang besser noch mal an: Meine Liebe zu Wolf Erlbruch begann mit einem Haufen unbekannter Provenienz. Auch nicht viel besser. Na, zumindest ist jetzt ein Hauch Wissenschaftlichkeit in diesem Beitrag. Um eine Art Wissen-schaf(f)t geht es nämlich auch in Werner Holzwarths Geschichte Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat. Ein sehr nachvollziehbares Anliegen, wie ich finde. Der kleine Maulwurf ist stinksauer und er ruht und rastet nicht, bis er endlich den Übeltäter ausfindig gemacht hat und ihm sein eigenes kleines Häuflein verpassen kann. Herrlich! Da werden gleich mehrere Tabu-Latten gerissen („Scheiße sagt man nicht!“, „Rache ist bäh!“), was kindlichen Gemütern erfahrungsgemäß großen Spaß bereitet.
Ja, ich glaube, das war das erste Mal, dass mir Kinderbuch-Illustrationen des Grafik-Designers Wolf Erlbruch in die Hände fielen, der sein Geld zunächst in der Werbebranche verdient hatte. Seither habe ich nicht mehr aufgehört, die Hände aufzuhalten. Hier eine Auswahl meiner Erlbruch-Favoriten:
Frau Meier, die Amsel. Frau Meier macht sich ständig Sorgen, man könnte sagen, sie ist leicht depressiv. Zum Glück gibt es den stoischen Herrn Meier, der Frau Meier dann erstmal einen Pfefferminztee kocht. Ja, und eines Tages findet Frau Meier in ihrem Garten ein Amseljunges, dessen Aufzucht sich als Vollzeitaufgabe entpuppt. Richtig komisch wird es, als die kleine Amsel eines Morgens beim Frühstück vom Küchentisch fällt und Frau Meier erkennt, dass sie Piepchen das Fliegen beibringen muss. Frau Meier in Kittelschürze auf dem dicken Ast des alten Kirschbaums, wild mit den Armen rudernd oder direkt nach dem Abflug, während die Kühe auf der Weide unter ihr entsetzt in alle Richtungen davonstieben – das sind Bilder von unglaublichem Charme.
Die Werkstatt der Schmetterlinge. Ein Traum von einem Bilderbuch zu Texten der nicaraguanischen Autorin Gioconda Belli. „Vor langer Zeit gab es keine Schmetterlinge. Und viele andere Pflanzen und Tiere nicht, die alle noch darauf warteten, erschaffen zu werden. Das war die Arbeit der Gestalter Aller Dinge. Für die Gestalter Aller Dinge gab es ein strenges Gesetz: Sie hatten die Tiere für das Tierreich zu erschaffen und für das Pflanzenreich die Pflanzen. An diese Regel mussten sich alle halten. Dies durften sie auf gar keinen Fall durcheinanderbringen.“ Unnötig zu erwähnen, dass einer der Gestalter nicht gewillt ist, sich an die Regeln zu halten. Er träumt von einem Wesen, das wie ein Vogel und gleichzeitig wie eine Blume sein soll…
Zwei, die sich lieben. Das ultimative Geschenkbuch für den Herzallerliebsten, für die Herzallerliebste. Die entzückenden Bilder mit den unglaublichsten Kuss-Szenen begeistern auch Kinder, einige der Gedichte des Schweizers Jürg Schubiger wird vielleicht erst der etwas ältere Nachwuchs verstehen. Die Zeilen über die Kunst des Küssens aber bestimmt: „Zwei, die sich liebten, wollten sich küssen, / doch sie wussten nicht, wie man das macht. / So blieb es denn lange beim freundlichen Grüßen. / Als die Münder sich fanden, was wurde gelacht: / So einfach hatten sie sich’s nicht gedacht.“
Hier muss ich mal eben kurz abschweifen: Ich habe nämlich den Verdacht, dass dieser Jürg Schubiger ein großer Kuss-Fan ist. Sicher bin ich mir nicht, aber wenn ich an sein Buch Als die Welt noch jung war denke… Das kenne ich allerdings nur auf Spanisch, ein Geschenk spanischer Freunde. Egal, jedenfalls gibt es darin diese Szene, in der sich Adam und Eva im Paradies treffen. Eva weist Adam darauf hin, dass sie die einzigen Menschen weit und breit seien und deswegen heiraten sollten. Adam hat keine Ahnung, was heiraten bedeutet und reagiert fast ein bisschen feindselig. Eva schlägt vor, sich zunächst mal zu lieben. Davon hat Adam auch noch nie gehört. Aber als Eva ihn küsst, findet er das mit der Liebe gar nicht so schlecht. Irgendwie gefällt es ihm sogar.
Und damit noch einmal zurück zu Wolf Erlbruch und zu einer von ihm illustrierten Welt, in der alles schon da ist, aber auch gerade erst entsteht – Der Bär, der nicht da war, aus einem Juckreiz und der farb- und formenreiche Wald und seine Bewohner praktisch aus dem Nichts. Geschrieben hat die poetisch-philosophisch-phantastische Geschichte der israelische Komponist und Musiker Oren Lavie, die Übersetzung besorgte sprachgewaltig der wunderbare Harry Rowohlt, der ja in den 1990ern bereits Alan Milnes Pu der Bär zu neuem deutschem Leben erweckt hat. Lavies Bär zieht auf der Suche nach dem eigenen Ich durch einen wundersamen Wald, in dem es keine vier, sondern acht Richtungen gibt: Norden, Süden, Osten, Westen, Falsch, Richtig, Mittagessen und Frühstück. Unterwegs begegnen ihm das Bequeme Bergrind, der Saumselige Salamander, der Vorletzte Vorzeige-Pinguin und das Träge Schildkröten-Taxi, mit dem er sehr langsam geradeaus fährt, um endlich an dem Haus anzukommen, in dem er wohnt. „Und er trat leise ein, um sich nicht aufzuwecken.“ Der Bär mit der grauen Nase und den roten Lippen weiß jetzt, dass er ein sehr netter, glücklicher und hübscher Bär ist. Für Erwachsene und größere Kinder sehr zu empfehlen.