Mit wehendem Haar

Wenn einer fortgeht, muss er den Hut
mit den Muscheln, die er sommerüber
gesammelt hat, ins Meer werfen
und fahren mit wehendem Haar,

er muss den Tisch, den er seiner Liebe
deckte, ins Meer stürzen,
er muss den Rest des Weins,
der im Glas blieb, ins Meer schütten,

er muss den Fischen sein Brot geben
und einen Tropfen Blut ins Meer mischen,
er muss sein Messer gut in die Wellen treiben
und seinen Schuh versenken,
Herz, Anker und Kreuz,
und fahren mit wehendem Haar!

Dann wird er wiederkommen.
Wann?
Frag nicht.

Ingeborg Bachmann: Lieder von einer Insel

Es war ein Tag, an dem die Jahreszeiten miteinander rangen. Im frischen Morgenwind umflügelten Schwäne zart den eigenen Kopf. Nixen räkelten den smaragdgrünen Leib auf nieselfeuchten Steinen, die mählich in der Sonne trockneten. Weit ging der Blick hinaus aufs Meer und zugleich tief ins Innere. Die alte Eule lächelte wissend.

8 Kommentare zu “Mit wehendem Haar

  1. Guten Morgen, liebe Maren,
    welch eine gelungene Kombination von Wort und Bild.
    Die Bilder vermitteln fein das halbherbe Ostseegefühl.
    Mit lieben Grüßen vom heute grau regnerischen Meer
    The Fab Four of Cley
    🙂 🙂 🙂 🙂

  2. ich bin ja nicht so ein ingeborg bachmann-fan, aber das gedicht gefällt mir sehr. auch deine bebilderung. sehr schön. die persönlichen zeilen hintenan von dir, auch ganz wunderbar poetisch. gefällt mir sehr. ich wünsche dir angenehme pfingsttage.

    • Herzlichen Dank fürs Mitschwingen, Brigitte. Ich staune immer wieder, was für ein wunderbarer Spiegel das Meer ist, bisweilen beinah ein Sparringspartner. Sonnige Grüße aus Hamburg!

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