Weit öffnet sich der Blick ins Auetal. Die Hand streicht über einen braunfleckigen Granit. Sagenhafte 1.650 Millionen Jahre hat der auf dem Buckel. Der steinerne Methusalem ist einer von 170 Findlingen, die vor Tausenden von Jahren mit den Gletschern der Eiszeit aus Skandinavien an die Elbe geschoben wurden und nun im Garten der Steine im niedersächsischen Harsefeld Zeugnis ablegen von der Entstehung der Geestlandschaft, von der Gesteinsbildung der Erde, von der Geschichte unserer Kultur.
Die Findlinge sind kreisförmig bestimmten Themen zugeordnet und mit Schautafeln versehen. Die wohl spannendste von allen lädt zu einer ganz besonderen Zeitreise ein: „Die Erdgeschichte in einem Jahr“. Um schier unvorstellbare Jahrmillionen wenigstens in ein fassbares Verhältnis zueinander zu setzen, wird die Erdgeschichte in den Zeitraum eines einzigen Jahres gepresst: „Vom 1. Januar bis in den April hinein gibt es noch keinerlei Leben auf der Erde. Danach entwickeln sich die Einzeller, aus denen bis Anfang Oktober vielzellige Lebewesen entstehen. … Am 25. November erscheinen die ersten Wirbeltiere auf der Erde, und immer noch gibt es Leben nur im Meer. Doch einige Tage später, Anfang Dezember, beginnen zunächst die Pflanzen, dann auch die Tiere, das feste Land zu erobern. … In den folgenden zwei Wochen beginnt die Herrschaft der Saurier. … In diesen 14 Tagen treten auch die ersten Säugetiere und die Urvögel in Erscheinung. In der letzten Woche des Dezember entwickeln sich die Blütenpflanzen, und die Säuger breiten sich über die ganze Erde aus. Es ist die Zeit, in der die Alpen und andere Hochgebirge entstehen. … Schon bricht der 31. Dezember an, der Silvestertag, und wir sind immer noch erst im Tertiär. Wenn am Abend mit dem Beginn des Quartärs die Eiszeit einsetzt, treten bald auch die ersten Urmenschen auf. In wenigen Stunden wechseln nun Kalt- und Warmzeiten der Eiszeit einander ab. Um 23 Uhr entdecken die Frühmenschen die Kraft des Feuers. Um 23:55 Uhr malen die Eiszeitmenschen ihre Höhlenbilder und jagen den Höhlenbär und das Mammut. 70 Sekunden vor Mitternacht endet die Eiszeit und beginnt unsere erdgeschichtliche Gegenwart. 30 Sekunden vor Mitternacht werden die Pyramiden in Ägypten gebaut. … Und mit dem ersten Schlag der Neujahrsglocken hat unser drittes Jahrtausend begonnen.“
Von Findlingskreis zu Findlingskreis, von Themenkreis zu Themenkreis führt der Weg. Die Finger gleiten wie von selbst durch Rillen, tasten Ausbuchtungen ab. Manche Steine haben eine glatt geschliffene Oberfläche, andere sind porös, weisen Körnungen auf, Ringe, Einkerbungen, Schrammen, Pocken und Poren, wieder andere fühlen sich samtweich an. Einige sind matt, andere glitzern, glänzen und schimmern mit der diesigen Wintersonne um die Wette, gelb-orange, rot, grau-beige, braun und ocker. Ein Granit mit großen Feldspataugen in perfekter Sitzhöhe lädt für einen Moment zum Verweilen ein. Ein Stück weiter liegt ein Sandstein, nur wenige Zehntausend Jahre alt, ein richtiges Baby noch.
Ein zauberhaft schöner Ort!
Ja, das ist es. Freut mich, dass die Atmosphäre des Ortes auch virtuell rüber kommt.
Auf jeden Fall!
Ich habe vorhin auch einen (zumindest für mich absolut magischen) Garten der Steine gepostet…
vielleicht magst du ihn dir ja auch ansehen?
Liebe Abendgrüße vom Lu
Ganz wundervoll sind die Formen und Formationen des Sandsteins! Affen sah ich und Vögel…, als hätte ein Künstler seine Hand im Spiel gehabt.
Es war und ist Mutter Allnatur 🌟
Eine wunderbare Idee die Erdgeschichte anhand eines Jahres, einer Uhr zu zeigen, das macht es begreifbarer! Ich danke dir, dass du uns mit auf diese kleine Zeitreise und deinen Ausflug mitgenommen hast.
liebe Grüße, Ulli
Das macht Unbegreifliches begreifbarer, ja. Und, was mir besonders gut gefällt: So ein Streifzug durch die Jahrmillionen relativiert den kleinen Altagsärger auf das Schönste. Ich kehre immer ganz gelassen aus dem Steinegarten zurück.
Da dachte ich, dass ich mich gut auskenne in Niedersachsen, aber den Garten der Steine kannte ich noch gar nicht. Danke für den Tipp!
Sehr gern. Schön, dass ich der Kennerin noch etwas Neues bieten konnte! 😉
UPS, Kennerin. Wohl eher Selbst-Überschätzerin 😉
wie schön ist denn das!
Danke!